Lehrermangel: Schlechte Aussichten auf eine angemessene Problemlösung

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In ihren aktualisierten „Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel“ zeigt die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) als unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz die Missstände bezüglich der Personalsituation an deutschen Schulen unmissverständlich auf. Immerhin 16 Bildungsforscher aus unterschiedlichen Disziplinen haben die bildungspolitische Lage analysiert und geben Lösungsansätze vor. Fragen gibt es dennoch. So heißt es in dem 41 Seiten starken Papier: „Das Problem des Lehrkräftemangels wird aller Voraussicht nach in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben. Das ist unter anderem der demographischen Entwicklung geschuldet: Erheblichen Pensionierungswellen stehen kleine Geburtskohorten gegenüber, aus denen Lehramtsstudierende gewonnen werden können. Aktuell treten sehr geburtenschwache Jahrgänge in Studium und Beruf über.“ Tatsache ist allerdings, dass im Wintersemester 2022/2023 rund 2,92 Millionen Studierende an deutschen Hochschulen immatrikuliert waren. Das Statistische Bundesamt meldet: „Höhere Bildung hat stark an Bedeutung gewonnen. Die Anzahl der Studierenden ist in Deutschland über viele Jahre merklich gestiegen.“ Anfang März 2023 ergab eine Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), dass die Kultusministerien aller Länder zu Beginn des Jahres 2023 insgesamt etwa 12.000 unbesetzte Stellen meldeten. Besonders vom Lehrermangel betroffen ist dabei Nordrhein-Westfalen mit mehr als 8.000 unbesetzten Stellen. Sachsen-Anhalt und Berlin folgen mit über 800 unbesetzten Stellen. Auch in Sachsen, Baden-Württemberg und Niedersachsen fehlen mehr als 400 Lehrkräfte. Saarland, Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bayern und Hessen sind laut RND-Umfrage nicht vom Lehrermangel betroffen. Selbst wenn es eine seit 2018 gebremste Studierendenzahl gibt, weil es eine rückläufige Entwicklung bei den Studienanfängerinnen und Studienanfängern gibt, kann doch gemutmaßt werden, dass sich aus fast 3 Millionen Studenten zumindest die bis 2025 notwendigen 25.000 Lehrer rekrutieren lassen. Angesichts der genannten Studentenzahlen liegt es auf der Hand, dass die Ursachen des Lehrermangels nicht nur der demographischen Entwicklung geschuldet sind.

Das Web-Portal easy-tutor.eu nennt zwar auch die Altersstruktur des Lehrkörpers mit in Rente gehenden ehemaligen und wenigen zukünftigen Lehrern als fatal, fügt aber auch hinzu, dass die fehlende Attraktivität des Berufes für den Personalmangel verantwortlich ist. Die Arbeitsbedingungen als Lehrer seien nicht optimal. „Häufig erhalten Lehrer:innen wenig Anerkennung für ihre Leistung und eine geringere Bezahlung, als Personen in anderen akademischen Berufen. Das hat zur Folge, dass viele Personen sich gegen den Beruf als Lehrer:in entscheiden und so nur wenige junge Lehrkräfte nachrücken.“ Hinzu kommt eine enorm gestiegene Schüleranzahl, wie die SWK feststellt: „. So wurden nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine bislang (Stand: 48. KW 2022) über 200.000 Schüler:innen zusätzlich an Schulen in Deutschland aufgenommen (KMK, 2022b).“

Ein weiterer Grund für die akute Personalflaute sind wohl die „hohen Anforderungen an Quereinsteiger“, wie easy-tutor.eu schreibt: „Zum Teil wird versucht, den Lehrermangel mit dem Einstellen von Quereinsteiger:innen aufzufangen. Die Anforderungen für den Quereinstieg variieren allerdings innerhalb von Deutschland. Einige Bundesländer stellen hohe Anforderungen, an potenzielle Quereinsteiger:innen. Das hält Kandidaten und Kandidatinnen möglicherweise von der Entscheidung zu einem Quereinstieg ab.“ Ob dies so stimmt, lassen wir ebenfalls dahin gestellt. News4teachers.de macht den Reputationsverlust des Lehrerberufs nicht unbedingt an den vorgegebenen Rahmenbedingungen fest. Man sieht dort eine Generationenmentalität als Ursache der Personalnot. In dem Artikel „Nachwuchsmangel im Lehrerberuf: Warum sich die Generation Z für den Schuldienst kaum begeistern lässt“ hält der Autor die Worte des Arbeitsmarktexperten Julian Stahl vom Online-Netzwerk Xing fest, dass diese „Generation […] nicht gekommen [ist], um lange bei einem Arbeitgeber zu bleiben.“ Die neue Generation der Berufseinsteiger weiß um ihren „Wert auf dem Arbeitsmarkt“ und hat „wenig Lust, sich für den Arbeitgeber aufzureiben“. Nochmal Julian Stahl: „In Fachkreisen gelten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Generation daher bereits jetzt als die illoyalsten Jobber aller Zeiten.“

Für mich liegen die Ursachen der Lehrerpersonalnot unter anderem auch in den pädagogischen Fehlern der Vergangenheit begründet. Bildungspolitik war viel zu lange die medienwirksame Spielwiese reformpädagogischer Sozialarchitekten, die Reputationsverluste des Lehrerberufs führen direkt zu den antiautoritären Ansätzen der 68er-Generation und in „das Milieu der ewig gelobten Metaebenen-Bürgerkinder, die darauf vertrauen, dass die eigentliche Arbeit anderswo stattfindet“ (Alexander Wendt). Die von der SWK prognostizierten 20 Jahre des anhaltenden Lehrermangels werden vielleicht gar nicht ausreichen…