Quelle: corrigenda
Jüdische Studenten fühlen sich an deutschen Hochschulen nicht sicher
Antisemitismus ist an deutschen Universitäten offenbar ein wachsendes Problem. Jüdische Studierende berichten von Anfeindungen, Ausgrenzung und Gewalt. Während nach 1945 eine weitgehende Eindämmung erfolgte, zeigen aktuelle Entwicklungen, dass judenfeindliche Ressentiments mittlerweile verstärkt auftreten.
Antisemitismus zeigt sich offen, aber auch subtil. Feindseligkeiten reichen von Schmierereien bis zu Bedrohungen. In akademisch geführten Debatten wird Antisemitismus oft hinter angeblicher Israelkritik verborgen. Die Grenze zwischen legitimer Kritik und antisemitischen Stereotypen wird häufig überschritten.
Eskalation seit dem 7. Oktober 2023
Nach dem Terrorangriff der Hamas in Israel nahmen israelfeindliche Proteste an Universitäten zu. Im Dezember 2023 besetzten Aktivisten an der FU Berlin einen Hörsaal und verweigerten dem jüdischen Studenten Lahav Shapira den Zutritt. Im Februar 2024 wurde er außerhalb der Uni von einem arabischstämmigen Kommilitonen schwer verletzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung mit antisemitischem Motiv.
Bei Protestcamps wurden Hamas-Symbole gezeigt, zur Vernichtung Israels aufgerufen und jüdische Studierende eingeschüchtert. Ihnen wurde verboten, Plakate der israelischen Geiseln aufzuhängen, während antisemitische Propaganda und islamistischer Terror verherrlicht wurden.
Viele jüdische Studierende meiden den Campus, verstecken ihre Identität oder äußern sich nicht mehr zu Israel. Einstige Verbündete wie etwa feministische Gruppen schweigen zu antisemitischen Vorfällen.
Der Antisemitismus an Hochschulen wird vor allem von der radikalen Linken und Islamisten befördert. Viele Hochschulleitungen wirken überfordert und zögern – womöglich im eigenen linken ideologischen Korsett gefangen – konsequent zu handeln.
Die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) und das American Jewish Committee (AJC) fordern Maßnahmen wie ein Verbot antisemitischer Veranstaltungen, Durchsetzung des Hausrechts mit Polizeihilfe, Ansprechpersonen für Betroffene, verpflichtende Fortbildungen, Meldepflicht für antisemitische Vorfälle und ein Ende der Kooperation mit iranischen Hochschulen. Zudem wird ein Visaentzug für ausländische Studenten gefordert, die Straftaten begehen.
Ob es gelingt, jüdische Studierende wirksam zu schützen, bleibt fraglich. Der AfD-Politiker Wolfgang Fuhl, ehemaliges Mitglied im Zentralrat der Juden, war Gründungsmitglied der „Juden in der AfD“ und von 2018 bis 2021 deren stellvertretender Vorsitzender. Er berichtet, dass er in seiner Partei nie Antisemitismus erlebt habe. Vielmehr habe ihn der gesellschaftliche Wandel – etwa die veränderte Schulhofkultur – politisch konservativer werden lassen. „Ich sehe, dass ‚Du Jude!‘ wieder ein Schimpfwort auf Schulhöfen ist. Viele Gemeindemitglieder danken mir für mein Engagement“, sagt Fuhl.
Während sich jüdische Organisationen um Schutz bemühen, bleibt ungewiss, ob Hochschulen zeitnah eine sichere Umgebung für jüdische Studierende schaffen können.
Hans-Peter Hörner