Gymnasiale Oberstufe – Reform oder Reförmchen durch die KMK?

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Gymnasiale Oberstufe – Reform oder Reförmchen durch die KMK?

2017 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Kultusministerkonferenz mehr Vergleichbarkeit beim Abitur zwischen den Ländern zu schaffen habe. Die Richter hielten damals das Verfahren zur Vergabe von Medizinstudienplätzen für teilweise nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie vermuteten eine Art Wettbewerbsverzerrung beim Kampf um Studienplätze, wenn Studienbewerber aus einem bestimmten Bundesland mit einem besseren Abitur antreten, als wenn sie aus einem Bundesland kommen, in dem das Abi möglicherweise schwieriger ist. Und tatsächlich, so schreibt das Deutsche Schulportal der Robert Bosch Stiftung, „ist die Spannbreite bei den Abschlussnoten im Vergleich der Bundesländer sehr groß: 2022 schafften in Thüringen laut der KMK-Statistik zu den Abiturnoten 46 Prozent ein Einser-Abi, in Schleswig-Holstein hingegen nur 25 Prozent. Die anderen Länder lagen dazwischen.“

Dem soll die nun jüngst von der Kultusministerkonferenz beschlossene neue Oberstufenvereinbarung abhelfen. Mit der „Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe“ sollen die Rahmenbedingungen der zweijährigen Qualifikationsphase in der gymnasialen Oberstufe länderübergreifend vereinheitlicht werden.  Dabei geht es um die Anzahl und Gewichtung von Klausuren, die Belegung zum Einbringen von Kursen und die Zahl der Leistungskurse:

  • Die Anzahl der Leistungskurse soll auf zwei bis drei in jedem Bundesland beschränkt werden.
  • Alle Schülerinnen und Schüler sollen in den vier Halbjahren der Qualifikationsphase zukünftig 40 Kurse belegen und davon 36 für die Berechnung der Abiturnote einbringen. Bislang gibt es zwischen den Ländern große Unterschiede.
  • In den Leistungskursen sollen bundesweit pro Halbjahr ein bis zwei Klausuren geschrieben werden. Im vierten Halbjahr kann eine Klausur geschrieben werden, muss aber nicht. Werden zwei Klausuren geschrieben, gehen sie zu 50 Prozent in die Halbjahresnote ein, bei einer Klausur zu 30 Prozent.
  • Von den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern müssen mindestens sechs Schulhalbjahre belegt werden. Bislang waren es vier.
  • Naturwissenschaften: Grundkurse in Biologie, Chemie und Physik werden zukünftig einheitlich drei Stunden pro Woche unterrichtet, bisher reichten hier auch zwei Stunden.

Die Bewertung der Reformbemühungen fällt bei den pädagogischen Fachkräften und Verbänden naturgemäß unterschiedlich aus. Man hätte sich in der Tat mehr versprechen können, denn es geht natürlich nicht nur um die Quantität von Klausuren und Kursbelegungen, sondern auch um Standards bei der Qualität der Lehrinhalte. Dies sieht auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, ähnlich, wenn er von einem „Trippelschrittchen“ bei der Oberstufenreformierung spricht. Er meint von einer echten Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen wegen der Unterschiede bei den Abituraufgaben weit entfernt zu sein. Ob da in absehbarer Zeit nachgebessert wird? Unwahrscheinlich, denn die Baustelle „Schulsystem“ ist mittlerweile gigantisch gewachsen und an allen Ecken brennt es. Immer wieder muss man an die wirklich „heißen“ Themen erinnern: Lehrermangel, Qualitätsstandards der Lehre, schulische Infrastruktur, Digitalisierung, Migration, Schulsport und Berufsorientierung.