Digitalisierungswahn ist bildungspolitischer Aktionismus

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Bild von Freepik.

Die dpa meldete kürzlich, dass der Augsburger Schulpädagogikprofessor Klaus Zierer einen „Digitalisierungswahn“ an den Schulen diagnostizierte. Er bezeichnete die Ankündigung der CSU, bis zum Jahr 2028 alle Schülerinnen und Schüler in Bayern mit einem Tablet für den Unterricht auszustatten, als „bildungspolitischen Aktionismus“. Dabei stellte Zierer fest, dass es unverständlich sei, wie man in Zeiten von Finanznot, Erosion der Demokratie und Bildungskrise den Heilsbringer in der Digitalisierung suchen könne. Diese sei mitverantwortlich für die genannten Probleme. Andere Länder wie Frankreich, Schweden oder die Niederlande würden aufgrund der Studienlage bereits umdenken. Der Ordinarius für Schulpädagogik der Universität Augsburg meint: „Auch wenn digitale Medien mehr Möglichkeiten eröffnen: Beim Lernen spricht vieles für das Analoge.“

Klaus Zierer, der als einer der einflussreichsten Schulpädagogen Deutschlands gilt, meint, dass die Erkenntnisse der Bildungsforschung zu digitalen Medien eindeutig seien. Demnach seien gedruckte Schulbücher didaktisch wertvoller als digitale Varianten. Dies bestätigte unter anderem eine Studie eines Forschungsteams am Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund, über die im Dezember 2022 berichtet wurde. Unter der Leitung von Professorin Nele McElvany hatte man sich anhand einer Sonderauswertung mit repräsentativen Daten von rund 4.600 Viertklässlern in Deutschland intensiv mit dem Thema der Sprachkompetenz beschäftigt. Ergebnis: „Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder, die selten Bücher lesen und häufig an digitalen Geräten, den höchsten Förderbedarf hinsichtlich ihres Wortschatzes aufweisen.“ Ulrich Ludewig, der die Auswertung der Daten der Viertklässler durchführte unmissverständlich dazu: „Der Wortschatz ist am kleinsten, wenn Kinder oft an digitalen Geräten lesen und gleichzeitig selten bis nie ein Buch.“ Auch Bildungsexperte Zierer sieht die Gefahr, dass die häufige Nutzung von Handys, Tablets oder Computern den Wortschatz der Kinder reduziere und die Fähigkeit zur Textproduktion hemme.

Anstatt den Technologiewahn, der von den wahren Problemen der deutschen Schullandschaft ablenken soll, weil so Zukunftsfähigkeit – allerdings nur im lediglich technologischen Ausstattungsbereich – suggeriert wird, sollten die wahren Baustellen des deutschen Bildungssystems endlich in Angriff genommen werden, Stichwort „Lehrermangel“.  Klaus Zierer ist nicht alleine, wenn er der Überzeugung ist, dass die flächendeckende Ausstattung mit Tablets den Kindern mehr schaden werde als nutzen. Denn der Professor für Psychiatrie an der Universität Ulm und ärztliche Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm, Manfred Spitzer, verweist auf die OECD-Studie „Students, Computers and Learning: Making the Connection“ aus dem Jahre 2015. Sie belegt: „Der Zusammenhang zwischen den Ausgaben für Computer an Schulen und den Leistungen der Kinder in Mathematik ist negativ, d.h. je mehr in einem Land in Computer an Schulen (pro Schüler) investiert wurde, desto eher hat sich die Leistung der Schüler in diesem Land verringert.“