Wohnen wird zum Luxus – betroffen und vom Staat im Stich gelassen

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Sowohl die tödlichen Schüsse im Saarland auf eine Vermieterin, die ihrem potentiellen Mieter eine Absage auf die versprochene Wohnung erteilte, als auch der Artikel im ZAK vom 28.7.2022 über die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland für den Balinger Raum, deren größte Hürde die Unterbringung ist, schreckte eine alleinstehende Rentnerin in meinem Wahlkreis auf. Sie erzählte mir von ihrem Elend bei der Wohnungssuche, das es nicht erst seit heute gibt:

Vor 2 Jahren wurde ihr in Hechingen die Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt. Viel Zeit zum Suchen blieb ihr nicht. Aushänge in Supermärkten, Rathäusern, Zeitungsannoncen… alle Mühe vergeblich. Im Internet recherchierte sie im gesamten Zollernalbkreis, stieß aber auf wenig bezahlbare Angebote.

Die Prozedur war immer dieselbe: es wird ein Makler zwischengeschaltet, der trifft dann eine Vorentscheidung anhand eines Formulars, in welchem die monatlichen Einkünfte offengelegt werden müssen. Allgemeine Richtlinie der Vermieter: Die Miete darf 30% des Einkommens nicht übersteigen. Aussichtslos bei einer Rente von netto 1.117,-EUR. Auf eine Wohnung kommen ca. 50 Bewerber.  „Der Staat soll sich schämen, Bürger nach 39 Jahren Arbeit mit einem Almosen abzuspeisen, das nicht einmal ein Dach über dem Kopf sichert. Wo bleibt hier die Menschenwürde?“, fragte mich die Dame aufgebracht.

Aus Angst vor Obdachlosigkeit rief sie verzweifelt im Rathaus der Stadt an. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass der soziale Wohnungsbau schon vor Jahren eingestellt worden sei. Man könne ihr ein Bett in einem Zimmer bei 2 Nigerianerinnen anbieten, jedoch nur für maximal 3 Monate, denn sie wäre ja schließlich keine Asylbewerberin.

In einem Asylantenheim war sie schon einmal untergekommen, als sie 1991 eine Stelle als Englischlehrerin an einer Privatschule in Braunschweig angeboten bekam. Bereits damals herrschte eine solche Wohnungsnot, dass sie die Leute auf der Straße ansprach.

„Sind Sie Flüchtling oder Asylantin?“, wurde sie oft spöttisch gefragt. „Nein? – Dann haben Sie keine Chance!“ Damals herrschte der Jugoslawienkrieg, die Unterkunft für Flüchtlinge bekam oberste Priorität.

Über ihren Arbeitgeber bekam sie schließlich eine vergammelte Altbauwohnung in Wolfenbüttel. Die dortige defekte Gasleitung hätte sie fast das Leben gekostet.

Noch früher, Anfang der 80er Jahre, erinnerte sie sich noch genau, hatten Studenten in Tübingen Zelte im botanischen Garten aufgeschlagen, weil kein Zimmer zu finden war. Als der Winter kam, waren sie genötigt, sich zu exmatrikulieren.

Durch reinen Zufall fand die Rentnerin rechtzeitig vor der Zwangsräumung durch ihren Vermieter doch noch eine Wohnung.
Es sei schon ein Wunder, meinte sie, wenn es noch Leute gäbe, die bei ihrer Auswahl nicht nur auf den Geldbeutel schielen.

Ruhig leben jedoch kann die Ruheständlerin heute wieder nicht: Die Wohnung wird mit Gas beheizt. „Jetzt lässt die Regierung auch noch alte Leute für ihre Russland-Sanktionen bluten“, sagte sie mit an Verzweiflung grenzender Verbitterung.

Die Dame ist kein Einzelfall!