Olaf Köller, Co-Vorsitzender der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK), dem Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz (KMK), sagte: „Wir stehen vor epochalen Veränderungen.“ Anlass für den denkwürdigen Satz war die Präsentation des neuen „großen“ Gutachtens zur Digitalisierung im Bildungssystem durch die SWK am 19. September. Auf dem Deutschen Schulportal liest man: „Es geht darum, das Bildungssystem der Bundesrepublik zukunftsfähig für die Anforderungen einer digitalisierten Welt aufzustellen. In dem Gutachten werden tiefgreifende Veränderungen in allen Bildungsetappen, von der Kita bis zur Hochschule, empfohlen. Zu den kurzfristigen Maßnahmen im Schulbereich gehört die Einführung eines Pflichtfachs Informatik in der Mittelstufe ab dem Schuljahr 2024/25 in allen Bundesländern.“ Die Expertinnen und Experten des Wissenschaftsgremiums der Kultusministerkonferenz seien sich bewusst, „dass sie mit dem neuen Gutachten zur Digitalisierung im Bildungssystem der Politik einiges zumuten.“
Man liest und staunt. Der Politik wird mit dem Vorhaben einer weit reichenden Digitalisierung einiges zugemutet? Abseits der verqueren Sichtweise sogenannter Expertinnen und Experten kann man festhalten, dass die 14 Empfehlungen der SWK vor allem dem Steuerzahler, den Lehrern und den Schülern viel abverlangen. In Zeiten, in denen ein höchst bedrohlicher Lehrermangel herrscht, in denen marode Schulgebäude und desolate Infrastrukturen Bildung vielfach verunmöglichen und in denen die Schäden durch das sogenannte digitalisierte „Homeschooling“ während Corona noch gar nicht absehbar und folgebezogen bewertbar sind, kommt der Empfehlungskatalog zur absoluten Unzeit. Während die Grundausbildung der Schüler landesweit eklatante Mängel aufweist und auch die bisher freigestellten Mittel für die Digitalisierung der Schulen nicht genügend genutzt werden, fragt man sich wo bei den Expertinnen und Experten der Wirklichkeitssinn geblieben ist.
Lustig ist in dem Zusammenhang, was die Zeit-online im Januar 2021 schrieb: „Dass Schulen den Digitalpakt nicht genutzt haben, um die Tablets zu kaufen, die man jetzt so dringend bräuchte, liegt daran, dass sie das nicht durften. Schulen können im Rahmen des Digitalpakts erst dann mobile Endgeräte beantragen, wenn sie die entsprechende Infrastruktur, also schnelles Internet und WLAN bereits haben – und auch dann nur für (in der Regel) maximal 25.000 Euro pro Schule. Bei einem Preis von 500 Euro pro Gerät wären das also gerade einmal 50 Geräte.“
Wir können, ohne auf die wirkliche Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Digitalisierung hier heute eingehen zu wollen, festhalten: Ein Wasserkopf an Leuten, bei denen Schulalltag und pädagogischer Einsatz offenbar Jahrzehnte zurückliegen, haben eine völlig sinnlose Empfehlung zu einer Problemlösung herausgegeben, die hinter sehr viel Anderem vorerst zurücktreten muss. Kommentator Wolfgang D. schreibt denn auch auf dem Schulportal Blog zutreffend: „[…] Muss man denn gar keine Ahnung von Kindern (und Jugendlichen) haben, um als „Bildungsexperte“ berufen zu werden? […] Die mittlere und jüngere Lehrer:innengeneration sollte endlich aufstehen, sich gegen diesen Schwachsinn wehren und nicht mehr zulassen, dass die ihrer Fürsorge (!) überlassenen Kinder immer noch kränker gemacht werden. Wann verstehen Lehrer:innen endlich, dass dies in ihrem ureigensten Interesse ist, denn: Je mehr Mediennutzung bei Kindern, desto unmöglicher wird ein gesundheitserhaltendes Unterrichten bis zum Pensionsalter und darüber hinaus!“